Das ehrenamtliche Engagement seiner Frau wirkte ansteckend: Seit zwei Jahren engagiert sich Marius bei der MHI – der Mental Health Initiative. In Übungen und Rollenspielen bringt er Jugendlichen Themen wie Stress, Krise, Depression und Suizidalität näher und hilft so, Probleme und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Ich hatte ein leuchtendes Vorbild: Meine Frau hat sich schon während ihres stressigen Studiums mit absoluter Selbstverständlichkeit und großer Begeisterung im Ehrenamt engagiert. Die Frage nach dem eigenen Gewinn hat sich ihr dabei gar nicht gestellt. Ihre Erfahrungen haben mich sehr fasziniert und schließlich dazu motiviert, mich selbst zu engagieren. Allerdings war es für mich oft schwierig, den richtigen Zeitpunkt dafür zu finden – Studium, Promotion, Familiengründung, da bleibt nicht viel Zeit. Nach der Promotion habe ich mich dann aber ganz bewusst entschieden, einmal nicht sofort den nächsten Karriereschritt anzugehen, sondern etwas für die Allgemeinheit und auch für mich selbst zu tun. Gerade nach der eher abstrakten und konzeptionellen Forschungsarbeit hatte ich ein großes Bedürfnis nach praktischem, konkretem Handeln. In meiner wissenschaftlichen Arbeit habe ich mich viel mit den Themen Glück und Wohlbefinden beschäftigt und erkannt, dass es für viele Menschen ein wichtiger Glücksfaktor ist, etwas zurückzugeben. Ich hatte zunächst keine konkreten Vorstellungen, was ich machen wollte, also habe ich mich bei TATENDRANG beraten lassen. Dort wurden mir verschiedene Initiativen vorgestellt. Die Idee hinter der MHI Mental Health Initiative hat mich sofort begeistert, denn ich habe mich sowohl persönlich als auch wissenschaftlich bereits intensiv mit dem Thema mentale Gesundheit auseinandergesetzt. Außerdem wollte ich unbedingt mit Jugendlichen arbeiten – das hat einfach gepasst.
Das Herzstück meines Engagements bei der MHI ist das Programm „Youth Aware of Mental Health“, kurz YAM. Es handelt sich um ein empirisch validiertes Präventionsprogramm, bei dem wir – nach entsprechender Ausbildung – Jugendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren das Thema mentale Gesundheit näherbringen. Ein YAM-Kurs besteht aus drei Einheiten à zwei Schulstunden, die über drei Wochen hinweg an den Schulen stattfinden. Wir gehen immer als Duo in die Klassen und sprechen offen über Themen wie Stress, Krise, Depression und Suizidalität. Im Vordergrund steht dabei nicht das klassische Belehren, sondern das Schaffen eines geschützten Raums. Die Jugendlichen sollen sich mit diesen oft tabuisierten Themen auseinandersetzen und ihre eigene Meinung entwickeln. Zentral ist dabei die Frage: Wie kann ich anderen – und auch mir selbst – helfen? Wir arbeiten methodisch sehr abwechslungsreich: Neben Dilemma-Übungen und Reflexionsrunden setzen wir besonders auf Rollenspiele. Für diese Rollenspiele entwickeln die Jugendlichen sogar eigene kleine „Drehbücher“, spielen verschiedene Szenen und reflektieren im Anschluss gemeinsam die Erfahrungen. Gerade weil Suizid in dieser Altersgruppe zu den häufigsten Todesursachen zählt und viele psychische Probleme im Jugendalter entstehen, ist es wichtig, diese Themen des Programms offen anzusprechen und einen ersten Impuls zu setzen. Wir merken dabei: Auch wenn sich nicht alle sofort öffnen, wird mit YAM ein Grundstein gelegt – für mehr Bewusstsein, Austausch und Verständnis im Umgang mit psychischer Gesundheit.
Für mich persönlich ist das Engagement bei YAM eine große Bereicherung – und zwar auf mehreren Ebenen. Zum einen bedeutet die Arbeit mit den Jugendlichen für mich echte Sinnstiftung: Ich kann konkret helfen, ein wichtiges Thema in die Schulen zu bringen und Jugendliche für psychische Gesundheit sensibilisieren. Das gibt mir das Gefühl, wirklich etwas zu bewegen, und macht mich stolz. Gleichzeitig wachse ich auch an den Herausforderungen: Jede Klasse ist anders, man muss sich immer wieder neu einstellen und flexibel bleiben – das fordert mich und bringt mich auch persönlich weiter. Besonders motivierend finde ich die Rückmeldungen der Jugendlichen, auch wenn sie nicht immer sofort kommen. Es ist schön, wenn in der Abschlussrunde ein Dankeschön kommt oder sich jemand später nochmal meldet. Manchmal zeigt sich der Effekt aber auch erst später, wenn die Jugendlichen in schwierige Situationen geraten und dann wissen, dass sie nicht allein sind. Gerade weil diese Wirkung oft zeitverzögert ist, ist es mir umso wichtiger, dass das Programm wissenschaftlich fundiert ist. Studien zeigen, dass YAM Suizidversuche und ausgeprägte Suizidgedanken um bis zu 50 % reduziert und die Zahl neuer Depressionen um bis zu 30 % verringern kann. Das gibt mir zusätzliche Sicherheit und das gute Gefühl, Teil einer wirklich wirksamen Initiative zu sein. Und schließlich ist da noch die tolle Gemeinschaft bei der MHI: Wir erhalten regelmäßig spannende Fortbildungen, zum Beispiel zu Classroom-Management, und profitieren vom gegenseitigen Austausch im Team. Insgesamt gibt mir mein Ehrenamt das gute Gefühl, etwas zurückzugeben und dabei auch selbst zu wachsen – fachlich wie menschlich.
Eine besonders überraschende und berührende Erfahrung habe ich in einem YAM-Kurs gemacht, der mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist. Hier war die Umgebung besonders offen und inspirierend und es entstand schnell eine spezielle Gruppendynamik. Besonders deutlich wurde das bei einem Jugendlichen, der das Thema Depression zunächst sehr kritisch sah und meinte, das sei vor allem ein Aufmerksamkeitsthema. Gerade in solchen Momenten ist es als Kursleitung eine echte Herausforderung, neutral zu bleiben, aber trotzdem einen Raum für ehrliche Diskussionen zu ermöglichen. Besonders spannend war für mich, die Entwicklung dieses Jugendlichen im Laufe des Kurses mitzuerleben. Durch die Rollenspiele – bei denen die Teilnehmenden eigene Szenen entwickelten und verschiedene Perspektiven einnahmen – wurde allen nach und nach klar, wie komplex und herausfordernd es ist, Krisen und Depressionen bei Freund:innen zu erkennen, zu verstehen und Verantwortung zu übernehmen. Im Verlauf der gemeinsamen Übungen und Diskussionen konnte man regelrecht beobachten, wie sich bei diesem Jugendlichen ein Perspektivwechsel vollzog. Am Ende äußerte er offen, dass er heute deutlich mehr Empathie für das Thema hat. Genau solche Momente machen für mich die Arbeit bei YAM so wertvoll: Wenn junge Menschen sich auf Neues einlassen, ihre Sichtweise hinterfragen und wir gemeinsam einen Beitrag zu mehr Offenheit und Verständnis leisten können.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass ein Ehrenamt manchmal zeitaufwändig ist – gerade, wenn man berufstätig ist. Am Anfang habe ich noch viele Kurse übernommen, inzwischen schaffe ich meist nur noch zwei bis drei im Jahr. Mein wichtigster Tipp: Mach dir keinen Druck! Auch kleine Beiträge sind wertvoll und können viel bewirken, wenn viele Menschen sich engagieren. Lass dich nicht davon abhalten, dass du vielleicht nicht immer viel Zeit hast oder noch nicht genau weißt, was zu dir passt. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich einzubringen – und manchmal hilft es, einfach verschiedene Dinge auszuprobieren und offen zu bleiben. Mir hat zum Beispiel die Vermittlungsagentur TATENDRANG sehr geholfen, um den passenden Einstieg zu finden. Mir war gar nicht bewusst, dass ich mich auf so vielfältige Art und Weise engagieren kann. Mein Rat ist: Geh unvoreingenommen ran, probier es einfach aus, und hab keine Scheu, auch mal „nein“ zu sagen, wenn etwas nicht passt. Das Ehrenamt soll Freude machen und zu deinem Leben passen – und irgendwo findet jeder das Richtige für sich.
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